Interview mit Armin Laschet bei Rautenberg Media

08.05.2017

Mehr Wachstum, Arbeitsplätze und Sicherheit für NRW

Am 14. Mai will CDU-Politiker Armin Laschet Hannelore Kraft ablösen. Der Oppositionsführer im Düsseldorfer Landtag besuchte am 3. Mai gemeinsam mit der Bundestagsabgeordneten Elisabeth Winkelmeier-Becker und CDU-Landtagskandidatin Katharina Gebauer die Rautenberg Media, die mit 950.000 Gesamtauflage ein interessanter Gesprächspartner in NRW ist.

Herr Laschet, die SPD wirbt im Landtagswahlkampf für sich mit dem Slogan „#NRWir". Was setzen Sie als Union dagegen?
Armin Laschet:
Das Motto ist nicht neu, sondern vom Landschaftsverband Rheinland übernommen und lediglich durch ein Hashtag ergänzt. Es ist ein Werbegag. Wir formulieren: „NRW geht vor". NRW soll wieder auf die Spitzenplätze kommen. Mein Eindruck aus unzähligen Gesprächen vor Ort ist: Dieser Wunsch vereint viele Menschen in Nordrhein-Westfalen. Die CDU als die Kommunalpartei in NRW weiß, was die Menschen bewegt.

Laut jüngster Forsa-Umfrage verliert die SPD derzeit zwar, und Ihre Partei legt zu. Dennoch wird nach bisherigem Stand nur eine Große Koalition in Düsseldorf möglich sein.
Armin Laschet:
Es wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben. Der Schulz-Hype ist real nie beim Wähler abgekommen. Das hat die Saarland-Wahl gezeigt.

Sie haben eine Regierungskoalition mit Grünen und FDP als realistische Option bezeichnet. Doch die Grünen haben das für sich ausgeschlossen. Entscheidet nicht am Ende der Wählerwille, welche Koalition im demokratischen Spektrum geschlossen werden kann?
Armin Laschet:
Ich finde ja! Wenn Frau Löhrmann, die sich lange als weiblicher Kretschmann geriert hat, nun lieber mit der Linkspartei als mit Laschet regieren will, dann ist das ihr Problem, nicht meins. Der Linksruck der Grünen ist dramatisch. Angesichts der rapiden Veränderungen in den Umfragen und unserer Zugewinne halte ich auch eine schwarz-gelbe Koalition nicht für ausgeschlossen. Für mich wäre das die beste aller Optionen. Sie geriete in den Bereich des Möglichen, wenn die Grünen, die sich ja tief im Umfragekeller bewegen, nicht wieder in den Landtag einziehen sollten. Klar ist: Einen echten Politikwechsel gibt es nur mit einem Wechsel an der Spitze. Deshalb kämpfen wir dafür, am 14. Mai stärkste Partei zu werden.
Wenn Sie nach dem 14. Mai Ministerpräsident einer künftigen Landesregierung sein sollten, was wäre Teil Ihres 100-Tage-Sofort-Programms für Nordrhein-Westfalen?
Armin Laschet: Wir werden bei allen drei wichtigen Themen der Landespolitik - Bildung, Innere Sicherheit und Wirtschaft - anpacken. Zur Bildung: Wir werden ein Förderschul-Moratorium erlassen. Es war ein Fehler der Regierung Kraft, massenhaft Förderschulen zu schließen und zu versuchen, die davon betroffenen Kinder irgendwie im Schulsystem unterzubringen, ohne ausreichende Unterstützung durch Betreuer und Sozialpädagogen anzubieten. Wir werden bereits in unserer ersten Kabinettssitzung ein Moratorium beschließen, dass keine Förderschule mehr geschlossen wird, solange nicht die personellen und finanziellen Bedingungen dafür erfüllt sind, dass Inklusion auch gelingen kann. Zudem werden wir umgehend die digitale Erfassung des Unterrichtsausfalls in die Wege leiten, damit wir mit einem Reservepool von Lehrern Unterrichtsausfälle gezielt bekämpfen können. In der Inneren Sicherheit werde ich eine Regierungskommission unter der Leitung von Wolfgang Bosbach berufen, die unsere Sicherheitsarchitektur auf den Prüfstand stellt. Nach sieben Jahren Kraft/Jäger brauchen wir endlich eine Nulltoleranz-Strategie gegen Kriminelle. Thema Wirtschaft: Im Zuge des von mir geplanten Bürokratieabbaus werde ich sofort die Hygiene-Ampel aussetzen, mit der Rot-Grün beispielsweise unser bewährtes Bäcker- und Metzgerhandwerk an den Pranger stellt.
Katharina Gebauer: Darüber habe ich mich mit einer Bäckerei-Unternehmerin in Troisdorf auseinandergesetzt. Sie sagte mir, dass bereits die Ampelfarbe „gelb" problematisch werden kann.
Armin Laschet: Und gelb kann es schon geben, wenn irgendwelche Formulare nicht richtig ausgefüllt sind. Wir müssen unser gutes Handwerk entlasten, statt es weiter mit Bürokratie zu überziehen! Weg muss auch das extrem komplizierte Tariftreue- und Vergabegesetz. Ein Drittel ist schon nicht mit europäischem Recht zu vereinbaren. Wir brauchen es nicht mehr, da wir ja jetzt einen einheitlichen Mindestlohn bundesweit haben. Überarbeitet werden muss auch der wachstumsfeindliche Landesentwicklungsplan. Bürokratische Vorgaben aus Düsseldorf dürfen nicht verhindern, dass auch in der Region Bonn-Rhein-Sieg neue Gewerbe- und Wohngebiete ausgewiesen werden können. Wenn die Staatskanzlei in Düsseldorf unter Verweis auf freie Opel-Gewerbeflächen in Bochum neue Flächen in der Rheinschiene verhindert, schadet sie den hiesigen Unternehmen und den Menschen, die hier leben und arbeiten wollen. Wir werden darum kämpfen, dass Unternehmen in NRW bleiben beziehungsweise zu uns kommen. Ein Fanal in dieser Hinsicht war aus meiner Sicht, dass man ein Unternehmen wie Haribo hat gehen lassen, weil man sich nicht mit genügendem Nachdruck um eine Fläche für die Expansion gekümmert hat! Die zahlen ihre Steuern jetzt woanders.
Katharina Gebauer: Bei Unternehmensbesuchen bin ich vielfach darauf angesprochen worden, dass die Hürden für die Ausweisung neuer Gewerbegebiete viel zu hoch sind. Vor allem mittelständische Betriebe können deshalb nicht expandieren und neue Arbeitsplätze schaffen. Ein weiteres wichtiges Thema ist die in NRW sehr hohe Grunderwerbssteuer. Bei allem gilt: Nur florierende Unternehmen erwirtschaften auch die Gelder, die wir für soziale Zwecke brauchen - zum Beispiel, um maroden Schulen zu sanieren oder auch dringend benötigte U3- und Ü3 Kitaplätze zu schaffen. Dringend ausgebaut muss auch die Nachmittagsbetreuung für Kinder in den Grundschulen. Das ist gerade für Eltern wichtig, die Beruf und Kind zusammenbringen möchten.

Herr Laschet, „Zuhören, entscheiden, handeln" ist ihr Leitmotiv. Welche Bürgeranliegen sind denn an Sie herangetragen worden?
Armin Laschet:
Immer wieder geht es um „Innere Sicherheit". Die Bürger haben Angst, sich auf bestimmten Plätzen zu bewegen und fürchten sich vor Einbrüchen. Weitere Themen sind Bildung und Stau. Die Leverkusener Brücke ist nicht LKW-tauglich. Halten Sie dergleichen in Bayern für möglich?
Armin Laschet: Nein. Das ist in Bayern schon deshalb nicht vorstellbar, weil die Verantwortlichen dort baureife Pläne in der Schublade haben - so, wie es in NRW einmal unter CDU-Verkehrsministern war. Die Bayern haben über Jahre hinweg Bundesgelder verbaut, die Länder wie Nordrhein-Westfalen nicht abgerufen haben, weil sie mit dem Planen nicht hinterherkamen. Wir müssen hier notfalls mit Unterstützung privater Planungsbüros alles dafür tun, um das Bundesgeld nach Nordrhein-Westfalen zu holen! Wir müssen zudem das chaotische Baustellenmanagement abstellen. Andere Länder wie Hessen haben es vorgemacht.

NRW hat mit Sachsen-Anhalt die höchste Kriminalitätsrate aller Flächenländer - was tun, damit sich das bessert?
Armin Laschet:
144 Einbrüche pro Tag, alle zehn Minuten passiert in NRW ein Einbruch. Das ist bei uns mehr als in Hessen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern zusammen! Wir brauchen mehr Polizeibeamte und zusätzlich Verwaltungsangestellte, die Polizisten von Arbeit im Büro und zum Beispiel auch an den Blitzgeräten im Straßenverkehr entlasten. Das müssen keine Polizeihauptkommissare machen. Und wir brauchen neue gesetzliche Instrumente - zum Beispiel die Schleierfahndung. Nur Bremen, Berlin und Nordrhein-Westfalen haben sie nicht, alle anderen Bundesländer schon. Edmund Stoiber hat die Schleierfahndung sofort bei Einführung von Schengen eingeführt. Wenn wir keine Grenzkontrollen mehr haben, müssen Polizisten eine klare Rechtsgrundlage haben, um auch 10 Kilometer hinter der Grenze rechtssicher Kontrollen durchführen zu können. Das hilft gegen unterschiedlichste Arten von Kriminalität.
Katharina Gebauer: Bei meinen Bürgergesprächen in Niederkassel, Troisdorf und Siegburg bin ich immer wieder gefragt worden: „Wie kommen wir zu mehr Polizeipräsenz?" Wichtig ist aus meiner Sicht, dass Polizei sich auf ihre Kernaufgaben, den Schutz der Menschen, konzentrieren kann. Sie sollte deshalb durch zivile Angestellte von Aktenarbeit entlastet werden. Wichtig ist auch, dass die Justiz dafür sorgt, dass unsere Polizei in allen Bereichen den gebührenden Respekt erhält. Und dass auch Absolventen mit mittlerer Reife eine die Chance auf eine Polizeikarriere haben.

Herr Laschet, die NRW-Landesregierung hat die Ausbildung neuer Polizisten von 1.100 auf jetzt 2.000 gesteigert. Künftig sollen es 2.300 sein. Wie stehen Sie dazu?
Armin Laschet:
Das sind die Zahlen, die auch wir anstreben. Der Abbau bei der Polizei hat unter Peer Steinbrück begonnen - Frau Kraft saß da am Kabinettstisch. Unter Jürgen Rüttgers wurde die Zahl mühsam wieder erhöht. Für mehr Polizei auf der Straße brauchen wir neben den neuausgebildeten Polizisten die von uns erdachten Polizeiverwaltungsassistenten. Erste Probeläufe mit diesem Konzept hat es in Köln gegeben - mit Erfolg. Wir wollen bis 2022 2.500 solcher Assistenten in die Polizeibehörden in den Städten und im ländlichen Raum bringen, flächendeckend und dauerhaft.

Unser Land hat in der jüngeren Vergangenheit eine unkontrollierte Zuwanderung Hunderttausender erlebt: Was wollen und können Sie tun, um die zigtausenden Menschen aus anderen Kulturkreisen hier zu integrieren beziehungsweise den Zustrom zu kontrollieren?
Armin Laschet:
Es ist richtig, dass wir in Deutschland Schutzbedürftigen Schutz gewähren, die zum Beispiel aus dem Bombenterror von Aleppo zu uns geflohen sind. Wer aber nach unserem Recht nicht schutzbedürftig ist, muss unser Land auch wieder verlassen.

Fürs Abschieben sind die Bundesländer zuständig. Diese setzen Abschiebungen aber nach eigenen Gutdünken um...
Armin Laschet:
Die Praxis ist in der Tat sehr unterschiedlich. Rot-Grün hat vieles getan, dass NRW auch bei Abschiebungen hinten liegt, indem man Bundesgesetze umgangen hat. Und Rot-Rot-Grün in Berlin sagt ganz einfach: „Wir schieben gar nicht ab." Auch deshalb wollen wir Rot-Rot-Grün in NRW verhindern. Frau Kraft hat sich im Fernsehduell mit mir dazu ja wieder ausweichend ausgedrückt - wie schon 2010, als sie sich danach von der Linken dulden ließ. Rot-Rot-Grün bleibt für sie eine Option hält. Ich bin sicher: Wenn keine andere Koalitionsoption für sie bleibt, um Ministerpräsidentin zu bleiben, wird sie auch Rot-Rot-Grün machen. Wir müssen in unserem Bundesland politische Verhältnisse wie in Berlin verhindern! Ich stehe dafür, dass wir in der Asylpolitik humanitär sind. Dafür müssen wir auf der anderen Seiten aber auch konsequent das Recht durchsetzen.

Wie stehen Sie zu einem Einwanderungsgesetz?
Armin Laschet:
Ich bin für ein Einwanderungsgesetz, weil wir damit besser steuern können, dass wir die Menschen ins Land holen, deren Qualifikationen wir brauchen.

Wie kommentieren Sie die Debatte um eine „Leitkultur", die Bundesinnenminister de Maizière angestoßen sind.
Armin Laschet:
Die Debatte über eine Leitkultur für Deutschland ist notwendig. Viele unserer Werte sind europäische Werte: Christentum, Abendland, Aufklärung. Als Deutsche sind wir aufgrund unserer besonderen Geschichte zudem dazu aufgerufen, eine besondere Sensibilität gegenüber Antisemitismus zu haben. Das muss auch zugewanderten Menschen vermittelt werden.

Herr Laschet, stimmen Sie dem de Maizière-Satz „Wir sind nicht Burka" zu?

Armin Laschet: Natürlich sind wir nicht Burka! Und wir sind genauso wenig Springerstiefel. Wir stehen klar gegen jede Form von politischer und religiöser Radikalisierung.

Herr Laschet, vielen Dank für Besuch und Interview.